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Referenz
Verteilnetz in Echtzeit

Mit einem Cloud-Projekt bereitet sich die SWO Netz GmbH, ein Unternehmen der Stadtwerke Osnabrück, auf die Stromverteilung der Zukunft vor. Für das Management und die Analyse der Daten nutzen die Niedersachsen Technologien von WAGO.
Heute vorbereiten auf das, was in 20 oder 30 Jahren Realität sein wird – vor dieser Aufgabe steht auch die SWO Netz GmbH. Aber Bange machen gilt nicht. Die 100-prozentige Netz-Tochter des kommunalen Infrastrukturdienstleisters Stadtwerke Osnabrück hat sich unlängst aufgemacht in die Zukunft der Stromverteilung – zunächst mit einem Smart Grid, danach mit einem Cloud-System, das die Messdaten vielfältig verwertbar macht. „Wir sind erstmals in der Lage, die Zustände des Netzes in Echtzeit im Blick zu haben und detailliert zu analysieren“, sagt Projektleiter Christian Drecksträter.

Netzausbaukosten im Rahmen halten

Die Messdaten stammen aus einem kleinen Smart Grid im Osnabrücker Stadtteil Wüste. Von 2013 bis 2016 setzte die SWO Netz GmbH hier ein intelligentes Netz als Pilotprojekt um. „Wir wollten mit modernen Technologien erkunden, wie wir den Zubau dezentraler Energieerzeuger wie PV-Anlagen und zusätzliche Abnehmer wie E-Fahrzeuge im Netz managen und dabei die Netzausbaukosten im Rahmen halten können“, erläutert Drecksträter. Das Projektgebiet umfasst 60 Gebäude mit 125 Wohnungen. Eine Besonderheit ist, dass auf kleinem Raum sieben Photovoltaik-Anlagen Strom produzieren. „Mit entscheidend für die Auswahl war, dass das Gebiet vom Lastprofil her auf rund 90 Prozent des Osnabrücker Versorgungsgebiets übertragbar ist“, erläutert Christian Drecksträter. Bis auf geringe Abweichungen gleicht das Lastprofil in dem Gebiet dem bundesdeutschen Durchschnitt, sprich: Am Morgen steigt der Stromverbrauch schnell an, tagsüber stagniert er weitgehend auf mittlerem Niveau und am Abend steigt er auf einen weiteren Peak an, um dann wieder zu fallen.

Die Daten zu den Verbräuchen und Einspeiseleistungen sowie zu weiteren relevanten Werten wie Wirk- und Blindleistung im Projektgebiet stammen aus einer Ortsnetzstation und fünf Kabelverteilerschränken, die mit WAGO-Komponenten auf Intelligenz getrimmt wurden. Zudem wurde die Photovoltaikanlage eines Anwohners mit einer Messung ausgestattet, der sich bereit erklärte, an dem Projekt teilzunehmen. Herzstück der Automatisierung ist ein Ethernet-I/O-Controller der 750er-Reihe (750-880), außerdem sind 3-Phasen-Leistungsmessmodule (750-494) sowie Stromwandler der 855er-Serie im Einsatz. Insgesamt erfassen die Komponenten mehr als 215 Messwerte.

Enorme Erkenntnisgewinne

Kurz vor Ende des Smart Grid-Projekts, im Herbst 2016, kam aus Minden der Vorschlag, nicht nur einen Teil der gewonnenen Messdaten zu verwerten. Vielmehr sollten alle Daten über eine Cloud-Anwendung gezielt nutzbar werden. „Die Aussicht, Lastdaten und anderes quasi in Echtzeit verfolgen und in der Tiefe analysieren zu können, war äußerst verlockend“, sagt Ulrich Clausmeyer, Leiter Netzführung bei der SWO Netz GmbH. Umgesetzt haben die Osnabrücker dies mit dem Cloud-Connectivity-Tool des e!COCKPIT von WAGO. Als Steuerung setzt man auf den 750-8207/025-001 Controller mit integriertem VPN-Modem. Die Software spiegelt 1:1 die physikalisch vorhandenen Bestandteile des Smart Grid, sprich: die in der Ortsnetzstation und den Verteilerkästen verbauten WAGO-Komponenten. Sie sind auf der Benutzeroberfläche dargestellt. Mit einem Mausklick auf die einzelnen Komponenten öffnen sich Listen mit den jeweils aktuellen Messwerten, die die Software auch in Grafiken umsetzen kann. Zusätzlich zu den Messwerten der intelligenten Netzkomponenten erhalten die Osnabrücker detaillierte Informationen von einer der PV-Anlagen. „Wir können somit den Wetterdaten ganz konkrete Leistungswerte gegenüberstellen“, erläutert Projektleiter Drecksträter.

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Netzzustände visualisieren mit WAGO

Das Cloud-System erlaubt nicht allein Echtzeit-Einblick in die Zustände des Netzes, auch sind ganz neue Analysen möglich. Dabei fielen die Erkenntnisse der Datenanalyse bisher teils wie erwartet aus, teils jedoch waren sie überraschend. „Wir hatten zu keiner Zeit kritische Zustände“, nimmt Projektleiter Drecksträter vorweg. Doch habe es ungewöhnliche Lastverteilungen gegeben, die über Visualisierungen des WAGO-Tools erstmals sichtbar wurden. „Wir hatten tatsächlich den Fall, dass die Photovoltaikanlagen bei hoher Produktion nicht nur Abnehmer des Projektgebietes versorgt haben, sondern auch Häuser in einem angrenzenden Netzbereich, die hinter der smarten Ortsnetzstation liegen. Auch von diesen Abnehmern wurde in dem Zeitraum keine Leistung abgerufen, sie wurden komplett von den PV-Anlagen versorgt“, erklärt Christian Drecksträter. Noch in einem anderen Fall übermittelten die 3-phasigen Leistungsmessmodule von WAGO Überraschendes: „Während über zwei Phasen Strom aus PV-Anlagen eingespeist wurde, wurde über die dritte Phase Leistung abgerufen“, berichtet Ulrich Clausmeyer. Beide Zustände hatten die Schaltmeister in der Netzleitwarte mit ihrem Bauchgefühl bislang erahnt. Nun wurde dies mit harten Fakten untermauert.

Entkoppelte Systeme

Die Messwerte sind auch für die tägliche Arbeit in der Netzleitwarte nutzbar gemacht, wenn auch nicht alle von ihnen. „Das kleine Projektgebiet liefert eine überschaubare Menge an Daten. Für die Analyse war das optimal. Dennoch wollten wir nicht jeden einzelnen Messwert in unser Leitsystem übernehmen, schlicht deshalb, weil wir sie für die Netzführung nicht benötigen“, sagt Ulrich Clausmeyer. Die insgesamt 215 Messwerte aus dem Smart Grid werden in der Cloud gefiltert und zu 41 Werten zusammengefasst. Es sind bestimmte Grenzwerte definiert, bei deren Überschreiten das System eine Meldung gibt. Technisch läuft das Cloud-System parallel zum Leitsystem. Der Grund ist die Zugriffssicherheit. „Weil es zwei voneinander völlig unabhängige Systeme sind, ist ausgeschlossen, dass Hacker über das Cloudsystem in unser Leitsystem eindringen können“, erläutert Clausmeyer. Auch das Cloud-System selbst ist für Datendiebe nicht zu knacken. Dafür sorgt Security by Design – Cyber Security, die von vorherein in Form einer Layer-basierten Sicherheitsarchitektur in die Linux®-basierten Steuerungen von WAGO integriert ist. Die Kommunikation über das bewährte Protokoll MQTT wird über eine verschlüsselte VPN-Verbindung abgesichert.

Flexibilität für zukünftige Entwicklungen

Nach diesen ersten Erfahrungen mit Smart Grid und Cloud-System will die Osnabrücker Stadtwerke-Netztochter bald ein Projekt in einem größeren Gebiet angehen. „Wichtig ist, dass wir aktuelle Entwicklungen weiterdenken und weitere Schritte tun, aber dabei Technologien einsetzen, die es uns erlauben, bei der langfristigen Zielnetzplanung variabel zu bleiben“, sagt Christian Drecksträter. Schließlich könne heute niemand mit Bestimmtheit sagen, wie viele dezentrale Energieerzeugungsanlagen oder E-Fahrzeuge in 20 Jahren ins Netz eingebunden werden müssen. So bleibt in Osnabrück das Netz der in Zukunft nicht nur zuverlässig und sicher, es wird sich auch flexibel an die Entwicklungen anpassen lassen.

Hintergrund: SWO Netz GmbH

Die SWO Netz GmbH ist ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der Stadtwerke Osnabrück AG und für die Planung, den Bau und den Betrieb der Infrastrukturnetze im Stadtgebiet zuständig. Das Tätigkeitsfeld umfasst die Sparten Strom, Gas, Wasser, Abwasser, Telekommunikation sowie Straßenbeleuchtung. Als einer der ersten Netzbetreiber in Deutschland wurde die SWO Netz GmbH vom TÜV Rheinland gemäß IT-Sicherheitskatalog zertifiziert.

Text: Daniel Wiese
Foto: SWO Netz GmbH, Jens Sundheim

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